Kategorie: Symphonie / Orchester , Chor / Vokal
Die GLOCKE ist ein Archetyp des Klanges und des menschlichen Existierens. Sie begleitet seit Jahrtausenden den Menschen bei Geburt, Feiern, sakralen Handlungen, bei Arbeit, Krieg, Not und Tod. Sie erklang bei Totenkulten, Prozessionen und Trauerzügen. Die Brücke ins Transzendente und in die immaterielle Welt war meist aus Glockenklang gebaut, dessen „heilige“ Schwingungen Schutz vor Unheil, bösen Mächten und Dämonen bot.
Die etwa siebentausendjährige Geschichte der Glocke geht weit über das christliche Abendland hinaus, wo man in eurozentristischer Sicht den Glockenklang gerne beheimatet sieht. Vor allem in der chinesischen Bronzezeit werden Glocken archäologisch fassbar
Die Symphonie Nr. 8 macht diese archaische Vielfalt emotional erlebbar, indem aus der Fülle der Sagen, Stoffe und Geschichte exemplarisch Stationen herausgegriffen werden.
Das Werk ist ein Kompositionsauftrag des Leipziger Symphonieorchesters.
Sätze: „DIE GLOCKE – BRÜCKE ZUR UNENDLICHKEIT“
1: URKLANG AUS DEM REICH DES MORGENS
Gedicht von Zhang Ji (712-779))
2: DUFT DER GLÖCKCHEN – KARAWANEN, TANZ UND ROSEN
Gedicht von Dschalaluddin Rumi (1207-1273), deutsch von Friedrich Rückert
3: KLANG DER GÖTTER - SCHRECKEN DER DÄMONEN
4: „THE BELLS“ – EINE HOMMAGE AN WILLIAM BYRD (1540-1623)
5: “SEHNSUCHT”
Gedicht von Otto Julius Bierbaum (1865-1910)
6: Finale: DONA NOBIS PACEM
Texte: aus dem lateinischen „Agnus Dei“ und aus dem Gedicht
“Die Glocke“ von Friedrich Schiller (1759-1805)
Dauer: 40 Minuten
Notenausgabe: Musikverlag Ries & Erler Berlin , Leihmaterial / on hire , 2023
Besetzung: Sopran Solo
Chor (S S A A T B)
Flöte 1+2 (2. auch Piccoloflöte)
Oboe 1+2 (2. auch Englischhorn)
Klarinette 1+2 (2. auch Bassklarinette)
Fagott 1+2 (2. auch Kontrafagott)
Horn 1-4 in F
Trompeten 1+2 in Bb
Posaunen 1-3 (T T B)
Basstuba
Harfe
Pauke: auch Triangel, Glockenspiel (von Perc. 2), große Klangplatte auf G
Percussion 1: große Trommel, Triangel, Glockenspiel, 3 hängende Becken, eine Reihe crotales, Herdenglocke (cowbell), Großer Gong (tief)
Percussion 2: Tamtam, Snare Drum, Tubular Bells, Vibraphon, Metal Chimes, 2 Tomtom (Daiku), woodblock, Asian Cymbal (China Cymbal), Handdrum (Ethno-Rahmentrommel)
Großes Streichorchester mit Vl1+2, Vla, Vc, Kbass (möglichst 16er-Besetzung)
Audiozuspielung mit Sounddesign und Atmosphären (von CD oder Audiofile)
Textdichter: Zhang Ji (Tang Dynasty 618-907), Dschalaluddin Rumi (1207-1273), Otto Julius Bierbaum (1865.1910), Friedrich Schiller (1759.1805)
Vorwort: Die GLOCKE ist ein Archetyp des Klanges und des menschlichen Existierens. Sie begleitet seit Jahrtausenden den Menschen bei Geburt, Feiern, sakralen Handlungen, bei Arbeit, Krieg, Not und Tod. Sie erklang bei Totenkulten, Prozessionen und Trauerzügen. Die Brücke ins Transzendente und in die immaterielle Welt war meist aus Glockenklang gebaut, dessen „heilige“ Schwingungen Schutz vor Unheil, bösen Mächten und Dämonen bot.
Die etwa siebentausendjährige Geschichte der Glocke geht weit über das christliche Abendland hinaus, wo man in eurozentristischer Sicht den Glockenklang gerne beheimatet sieht. Man begegnet ihr in den frühesten Anfängen der Zivilisationen, bei den Sumerern, im Palast von Ninive, schon 7000 Jahre vor Christus bei den Skythen im zentralasiatisch-mongolischen Raum, wo Pferde oder kriegerische Schilder stets mit Glocken behangen waren. Vor allem in der chinesischen Bronzezeit werden Glocken archäologisch fassbar. Teils riesenhafte Glockenspiele können noch heute gespielt werden. Da mit Gewicht und Größe die „Bedeutung“ und Schutzwirkung der Glocke verbunden scheint, findet man die größten Glocken in asiatischen Ländern wie China, Japan, Korea oder Thailand. Die „Grosse Glocke von Beijing“ des Kaisers Yong Le (nach 1400) wog bereits 47 Tonnen.
Im mittleren und vorderen Orient, in Buddhismus oder Islam waren jedoch auch die kleinen Glocken, Glöckchen und Zimbeln sehr verbreitet: Karawanenzüge waren stets mit Glocken behängt, es gab Pferde-, Kamel-, Elefantenglocken; rituelle Tänze und Zeremonien lebten vom Klang kleiner Glocken. In biblischen Kulten gab es Glöckchen am Rocksaum des Priesters, am Vorhang des Tempels und an Krone wie Schild der Thora.
Obwohl Glocken als Signalgeber essentiell auch zu jeder Kriegsführung gehörten, verbindet man derzeit die GLOCKE doch eher mit religiösen Ritualen: vom Singen der Psalmen bis zur Stundenmarkierung in Klöstern und Menschengemeinschaften, woraus sich folgerichtig der Schlag der Uhrenglocken entwickelte. Eine grundlegend recherchierte Veröffentlichung zur weltweiten Verbreitung des von Mystik umwobenen Instruments „Glocke bietet der „Glockenpapst“ Kurt Kramer in seinem reich bebilderten Buch „Klänge der Unendlichkeit. Eine Reise durch die Kulturgeschichte der Glocke“ (2015 im Verlag Butzon & Bercker), das sich auch im Internet umfassend präsentiert.
Die Geschichte der Glocke ist Völker- und Weltumspannend: keine Kultur der Erde, die nicht mit einem spezifischen Glockenritual ihre Identität findet und damit auf die magische Welt hinter den Dingen hinweist. Die Symphonie Nr. 8 GLOCKE – BRÜCKE ZUM UNENDLICHEN macht diese archaische Vielfalt emotional erlebbar, indem aus der Fülle der Sagen, Stoffe, Geschichte und der Texte exemplarisch Stationen herausgegriffen werden. Beginnend mit uralter asiatischer Idiomatik und dem in chinesischer Sprache gesungenen Gedicht „The Bell of Hanshan“ von Zhang Ji (618-907) geht es zunächst zum Vorderen Orient mit dem Glöckchenklang des arabischen Dichters Dschalaluddin Rumi (1207-1273), dann zu den dämonischen Aspekten des Glockenklangs. Ein so singuläres wie kultiges Werk der Musikgeschichte hat William Byrd (1540-1623) für Cembalo solo geschrieben, das sich überraschenderweise in einer sinfonischen Instrumentation assoziativ neben moderne Werke der Minimal Music oder von Arvo Pärt stellen läßt. Nach einem romantischen Gedicht „Sehnsucht“ von Otto Julius Bierbaum, in welchem die Glocke ausdrücklich als Repräsentant des Jenseitigen und Göttlichen benannt wird, geht es zum impulsiven Finale des „Dona Nobis Pacem“, das sinnigerweise von der Textzeile „Friede sei ihr erst Geläute“ aus Friedrich Schillers legendärem Gedicht „Die Glocke“ eingeleitet wird.
Widmung: Herzlich dem Dirigenten Wolfgang Rögner gewidmet, der schon 1999 bei den Erfurter Domfestspielen meine Sinfonie Nr. 1 uraufführte, die ebenfalls das Thema „Glocke“ beinhaltete.
Anmerkungen: DIE TEXTE:
-------------------------------------------------------------------------------------
Satz 1:
Gedicht „The Bell of Hanshan“ („Nächtlich ankernd an der Ahornbrücke“) von Zhang Ji, (712-779), in chinesischer Sprache gesungen:
Yue luo wu ti shuang man tian
(Monduntergang, die Krähe schreit, der Himmel ist voller Frost)
Jiang feng yu huo dui chou mian
(Der Flussahorn und das Feuer des Fischers schlafen vor Kummer)
Gusu chengwai Hanshan Si
(Vor der Stadt Gusu, vom Tempel des Kalten Berges)
Yeban shongshen dao kechuan.
(erreicht um Mitternacht der Klang der Glocke das Passagierboot.)
Satz 2:
Gedicht von Dschalaluddin Rumi (1207-1273), deutsch von Friedrich Rückert (1788-1866)
Die Rose ist das höchste Liebeszeichen
Dem Herzensfreund will ich die Rose reichen.
Gedanken sterben im Gefühl der Liebe,
wie Gartenblumen vor der Ros‘ erbleichen.
Der vollen Rose gleicht an Pracht die Sonne,
und alle Blättlein siehst du Monden gleichen.
Der Sonne Lichtrad ist in ihr gerundet,
und hundert Monde rollen dran als Speichen.
Die Sonne, die aus Monden wuchs, die Rose,
dem Herzensfreund will ich die Rose reichen.
Satz 5:
SEHNSUCHT, Gedicht von Otto Julius Bierbaum (1865-1910)
Wie eine leise Glocke klingt
Die Sehnsucht in mir an:
Weiß nicht, woher, wohin sie singt,
Weil ich nicht lauschen kann.
Es treibt das Leben mich wild um,
Dröhnt um mich mit Gebraus,
Und mählich wird die Glocke stumm,
Und leise klingt sie aus.
Sie ist nur für den Feiertag
Gemacht und viel zu fein,
Als daß ihr bebebanger Schlag
Dräng in die Lärmlust ein.
Sie ist ein Ton von dorten her,
Wo alles Feier ist;
Ich wollte, daß ich dorten wär,
Wo man den Lärm vergißt.
Satz 6:
Friedrich Schiller (1759-1805)
Die Glocke….
Hoch über überm niedem Erdenleben
Soll sie im blauen Himmelszelt,
Die Nachbarin des Donners, schweben
Und grenzen an die Sternenwelt.
Ziehet, ziehet, hebt!
Sie bewegt sich, schwebt.
Freude dieser Stadt bedeute,
Friede sei ihr erst Geläute.
Aus dem lateinischen „Agnus Dei“:
Dona nobis Pacem