Kategorie:  Chor / Vokal , Orgel / Sacred Music

Sätze: Nr. 1 „Wir glauben an den Heilgen Geist“ (Martin Luther)
Nr. 2 Interludium I: „Die Taube“
Nr. 3 „Spiritus Sanctus movens omnia“ (Hildegard von Bingen)
Nr. 4 Interludium II: „Das Wasser“
Nr. 5 Feuersturm: „Ich bin das Feuer“ (Hildegard von Bingen)

Dauer: 25 Minuten

Notenausgabe: Strube-Verlag München , 2015

Besetzung: Sopran
Bariton
Chor (S A T B)
2 Flöten
Oboe /Englischhorn (1 Spieler)
Klarinette / Bassklarinette (1 Spieler)
Fagott
3 Hörner in F
3 Posaunen ( T T B)
Harfe
1 Schlagzeuger (gr. Tr., kl. Tr., Tomtoms, Tamtam, Triangel, 3 Becken, Vibraphon, Glockenspiel, woodblock)
1 Pauker (mittel-mittel-tief)
Streicher (12-10-8-6-4)

Textdichter: Martin Luther und Hildegard von Bingen

Vorwort: 
TEXTE:

Martin Luther (1483-1546): Zum Dritten Artikel „Von der Heiligung“
Wir glauben an den Heilgen Geist
Gott mit Vater und dem Sohne,
der aller Schwachen Tröster heißt
und mit Gaben zieret schöne,
die ganz Christenheit auf Erden
hält in einem Sinn gar eben;
hier all Sünd vergeben werden;
das Fleisch soll auch wieder leben.
Nach diesem Elend ist bereit’
Uns ein Leben in Ewigkeit.
Amen (EG 183,3)

Hildegard von Bingen (1098-1179)
Der Heilige Geist ist Quelle des Lebens

Spiritus Sanctus vivificans vita,
movens omnia,
et radix est in omni creatura,
ac omnia de immunditia abluit,
tergens crimina,
ac ungit vulnera,
et sic est fulgens ac laudabilis vita,
suscitans et resuscitans omnia.

(Deutsche Übersetzung: Der heilige Geist ist Quelle des Lebens, Beweger des Alls, Wurzel alles geschaffenen Seins. / Er läutert das All von allem Fehl. Geist tilgt die Schuld und Geist salbt die Wunden, / Geist ist leuchtendes Leben, würdig des Lobes, / aufweckend das All und alles wiedererweckend. )

Ich bin das heimliche Feuer in allem,
und alles duftet von mir,
und wie der Odem im Menschen,
Hauch der Lohe,
so leben die Wesenheiten und
werden nicht sterben,
weil ich ihr Leben bin.
Ich flamme als göttlich feuriges Leben
Über dem prangenden Feld der Ähren,
ich leuchte im Schimmer der Glut,
ich brenne in Sonne,
in Mond und in Sternen,
im Windhauch ist heimlich Leben aus mir
und hält beseelend alles zusammen.

Vorwort:
„Der Heilige Geist“ ist für mich keine abstrakte Größe, sondern die fasslichste und konkreteste Erscheinung eines dreieinigen Gottes. Während man „Vater“ als Gottesfigur sich nur mühsam vorstellen kann, ohne in simplifizierte Muster zu verfallen („der Mann mit dem Bart im Himmel?“) oder sich begrenzt zu fühlen („War es vielleicht sogar eher „Mutter?“), - während man für den „Sohn“ mit der Jungfrauen-Geburt, dem fleischlichen Auferstehungsmythos und der Himmelfahrtslegende ein unbeirrtes Glaubensgebäude benötigt, um hier zu einer religiösen Evidenz jenseits von Nicht-Beweisbarem zu gelangen, - so ist uns der „Heilige Geist“ als nahezu physikalisch-chemisch-biologische Kraft verständlich: Er ist – wie Hildegard von Bingen in ihrer universalen Sicht der Naturwissenschaften klar erkannte - der Urstoff aller Wesenheiten, er ist die energetische Schwingung der Atome und Gestirne, er ist das Prinzip „Leben“, das Pflanze, Tier und Mensch als lebendiges Wesen zusammenhält. Wenn dieses beseelende Ordnungsprinzip aus einem Organismus weicht, dann stirbt dieser, er zerfällt.
In der Physik finden wir den „Heiligen Geist“ als Ordnungskraft hinter allen Dingen beispielsweise im Begriffs des ‚Äthers’, jenem hypothetischen Medium für die Ausbreitung des Lichts auch im Vakuum. Er ist in den Strukturformeln der Mathematik zu finden, die sämtlichen uns bekannten Gestaltkräften zugrundeliegen. In den uralten chinesischen Naturwissenschaften sprach man von CHI (chinesisch: QI) als unsichtbarem Grundstoff des Seins, der alles mit allem verbindet, als Fluidum der Welt und als Lebensenergie in der traditionellen chinesischen Medizin. Dass „Chi“ der 22. Buchstabe des griechischen Alphabets ist und als „X“ bekannt ist, führt – das Allumfassende des „Heiligen Geists“ bezeichnend - wieder zum Christentum zurück, denn das „Kreuz“ und Christus wurden stets mit diesem „X“ benannt.
Daher lag es nahe, zu Martin Luthers drittem Artikel des Glaubensbekenntnisses in seinem Lied „Wir glauben all an einen Gott“, einen Text von Hildegard von Bingen gegenüberzustellen. Sie hat sich fast leitmotivisch mit dem Heiligen Geist als Schöpfungsprinzip der Welt auseinandergesetzt. Ihre ausgeprägte Seite als Naturforscherin und Biologin macht sie in den Texten kompetent und intuitiv hat sie viele Ergebnisse der modernsten Physik und Astronomie vorgeahnt, - oder vielleicht klar gewußt. – Ihre geniale Formulierung "Spiritus Sanctus vivificans vita,
movens omnia",
ist eigentlich aus dem granitgemeisselten Latein in keine andere Sprache übersetzbar. Daher wurde dieser Einleitungsteil in lateinischer Sprache belassen und erst ab dem "Ich bin das heimliche Feuer in allem" die subjektivistische deutsche Sprache gewählt. Eine grandiose und absolut überzeugend nachvollziehbare Beschreibung des „Heiligen Geistes“.
In der Bilderwelt des Christentums ist der Heilige Geist immer wieder mit der Taufe und ihren Symbolen der Taube und des Wassers verbunden worden. Ein Grund, in diesem Oratorium als Ort einer Meditation zwei symphonische Interludien zu „Wasser“ und „Taube“ anzubieten. Nicht fehlen darf natürlich das „Feuer“, das in seiner Steigerung als Feuersturm etwas von der Urkraft des Kosmos erhält und zu einem anspruchsvollen Finale dieses oratorischen Triptychons geführt hat.

Widmung: Widmung:
Dem großherzigen Verleger und Freund Friedmann Strube gewidmet

Anmerkungen: Auftragswerk der Evangelischen Stadtkirche „Heilig Dreifaltigkeit“ in Bayreuth zum 400jährigen Jubiläum der Wiedereinweihung und Namensgebung

Uraufführung:  14.06.2015, Stadtkirche Bayreuth

Uraufführung Interpreten: mit Jutta Potthof (Sopran), Rainer Weiss (Bariton), Chor der Schlosskirche Bayreuth, Vogtland-Philharmonie, Leitung: Christoph Krückl