Kategorie: Oper / Musiktheater
SALOME... mit sechs Vokalparts und 11 Instrumenten ist eine Kammeroper entstanden, die sich als expressive Konkurrenz zur großen Schwester erwiesen hat. Ein Kleinod für Opernhäuser, die den verwegenen Kontrast lieben.... David gegen Goliath... und der Gewinner ist ja bekannt: die schneidende Stärke der kompromisslosen Reduktion!!! Neu: aus dem französischen Original direkt und ohne Schnörkel übersetzt.
Photos und Tonbeispiele entstammen der so spannenden wie minimaoistischen Inszenierung von Carolyn Sittig. Zum Start des YouTube-Trailers auf das erste Photo klicken.
Sätze: 35 einzelne Nummern von 1: Prelude, 2: Rondeau, 3: Recitatif, 4: Passacaille..... bis 31: Monodrame, 32: Recitatif, 33:Plainte, 34: Recitatif
Dauer: 95:00
Notenausgabe: Schott music , Leihmaterial , 2001
Besetzung: Salome (Mezzosopran) / Herodias (Sopran) / Herodes (Bariton) / Der junge Syrer (Alt) / Der Page (Tenor) /Der Soldat (Bass) / Jochanaan (Sprechstimme)
Orchester: Fl, Ob (auch ob.damore), Karinette (auch Bassklar.)Horn (F), zwei Schlagzeuger,Streicher (möglichst orchestral 4-4-4-3-2, oder auch solistisch): Viola I, II, III, Violoncello, Kontrabass
Textdichter: Oscar Wilde (aus der französischen Originalfassung übersetzt von Enjott Schneider)
Vorwort: Heute - Jahrzehnte nach der Komposition dieser Oper - scheint mir die Richtung meiner Leseart des Textes von Oscar Wilde aktueller denn je. Das 'Salome-Prinzip' beschreibt den Mechanismus, wie in einer narzisstischen Gesellschaft (mit Party-Dekadenz, Materialismus, dem Aneinander-vorbei-Reden von nahezu autistischen Individuen) auch die kleinsten Ansätze von Ehrlichkeit und Idealismus pervertiert werden: Salome, die in der ersten Hälfte der Oper in Jochanaan eine positive Bezugsperson (mitten im Karussel der Eitelkeit und Dummheit) gefunden hat, wird in der zweiten Hälfte durch das System des Nichtkommunizierens selbst zum Monster. 'Hättest du mich angesehen, .. du hättest mich geliebt'.
Durch den strikten Reduktionismus ist eine plastische Schärfe erreicht, die das Publikum aller Couleurs von der ersten Sekunde an fesselte. Siehe dazu die Pressestimmen im Anhang unten. David gegen Goliath.... Opernhäuser sollten viel häufiger diesen ungleichen Kampf gegen den zweifellos genialen Wurf des bewunderten Richard Strauss wagen... er wird spannend ausgehen!
Anmerkungen: 'Das Salome-Prinzip' erhielt 2002 den Ruhr-Theaterpreis Gelsenkirchen; wurde in der Zeitschrift 'Opernwelt' als beste Produktion des Jahres vorgeschlagen; wurde von den Besuchern des Musiktheaters im Revier als beste Produktion der Spielzeit 2001/2002 ausgezeichnet.
Am 10.4.2002 war die Premiere der Fassung im Theatre National du Luxembourg. Aus der Pressearbeit darüber: Luxemburger Tagblatt (12.4.2002): GEGLÜCKTES EXPERIMENT... können jedoch angesichts solcher 'neuen' Musik nur lobende Worte finden: es gibt sie noch, die zeitgenössischen Komponisten, die nicht nur höchst interessante, sondern sogar recht ansprechende Töne zusammenfügen. Erstaunlich genug.
Uraufführung: 03.03.2002, Musiktheater Gelsenkirchen im Revier Gelsenkirchen
Uraufführung Interpreten: Musikalische Leitung: Kai Tietje, Inszenierung: Carolyn Sittig, Bühne und Kostüme: Jean Flammang, Dramaturgie: Johann Casimir Eule, Regine Hermann: Salome, Richetta Manager: Herodias, Erin Caves: Herodes, Anna Agathono: Der junge Syrer, Mark Adler: Page, Joachim Gabriel Maaß: Soldat, Roland Renner: Stimme des Jochanaan, Neue Philharmonie Westfalen
Uraufführung Presseberichte: Westdeutsche Allgemeine WAZ (5.3.2002): Schneiders Musik folgt dem theatralisch-sinnlichen Gestus. Die Partitur für elf Instrumente klingt zart und leise, aber auch zupackend und gläsern. Die Tonsprache nimmt die Spur auf, die Berg und Schönberg einst gelegt haben. Das Stück, eine echte Alternative zur üppigen Strauss-Version... Kai Tietje entlockt den Musikern feinste Nuancen, sphärische Klänge und alptraumhafte Bilder. Jubelsturm für Komponist, Regieteam und Ensemble.
Recklinghäuser-Zeitung (5.3.2002): Es klingt vermessen, wenn heute ein Komponist mit einer Neuauflage der 'Salome' gegen den Geniestreich von Richard Strauss antritt. Enjott Schneider hat es mit seiner Kammeroper 'Das Salome Prinzip' gewagt - und gewonnen...ein stürmisch gefeierter respektabler Erfolg.
Ruhr Nachrichten (6.3.2002): ...und siehe da: Schneiders Salome erwies sich, gegen den Riesen Richard Strauss so überraschend erfolgreich wie weiland David gegen Goliath. Das Publikum feierte die Aufführung, das Stück und seinen Schöpfer fast schon des Guten zuviel. Aber: Dem 'E-Komponisten' Schneider gebührt der Beifall zu Recht'....Da wird ein Stück deutschen Musiktheaters gerade zum richtigen Zeitpunkt entdeckt.
Frankfurter Rundschau (19.3.2002): ...reduziert Schneider die Besetzung auf Kammerensemble-Stärke um das Konfliktpotential ungefiltert auf die Spitze zu treiben. Mit Schlagwerk, Bläsern und Bratschen schichtet er aggressive Perpetuierungsmuster; die Intervalldimensionen zwischen den raren belcantistischen Exaltationen sorgen für eine nervig-nervöse Fetzenmusik... imprägnierte damit seine Partitur nachhaltig gegen die eloquente Haltung vieler seiner Kollegen aus der Neuen Musik... hat somit eine wirkungsvolle Komposition wieder ausgegraben.
Süddeutsche Zeitung (5.3.2002): Kurz: Musiktheater, wo etwas los ist auf der Bühne. Vor allem aber: Musiktheater ohne Probleme. Zumutungsfrei. Das Ganze geht anständig, zudem äußerst zeitökonomisch in neunzig Minuten über die Bühne. Und selbst das Gruselbedürfnis wird bedient. Am Ende fließt reichlich Theaterblut in die Silberschale....
Westdeutsche Allgemeine WAZ (Ausgabe: Kultur in Gelsenkirchen vom 5.3.2002): Schneiders Klangsprache für seine 'Huldigung an eine starke Frau' lebt von den feinen Charakterisierungskünsten eines Alban Berg: die 'Lulu'-Musik ist hier nicht so weit entfernt.
Norddeutscher Rundfunk NDR (4.3.2002): Der eindeutige Erfolg, den sein Werk bei der Gelsenkirchener Uraufführung erlebte, ist aber vermutlich gerade darauf zurückzuführen, dass er eine starke unmittelbare Wirkung entfaltet, im besten Sinne wie Filmmusik Affekte mitteilen und Spannung aufbauen kann. Und Schneider weiß einfach Klänge hervorzuzaubern aus seinem mit elf Spielern besetzten Kammerensemble... Dazu kommt die anti-illusionistische Wirkung der Bühne ohne Off. Verblüffend ist nun, wie in dieser immerfort dialektisch zugespitzten, artifiziell verfremdeten Situation die Charaktere und die Geschichte eine elementare theatralische Hochspannung entfalten.
Opera Gazet (21.3.2002): De muzierk van Schneider was vooral sfeerscheppend met houzblazers die meeslepende orientaalse tonen speelden, veel slagwerk dat de dramatische momenten beklemtoonde, mmar ook donkere strijkers die on onheilspellende sfeer benadrukten.
Stadtspiegel Gelsenkirchen (13.3.2002): ...damit überträgt er das Genre der Oper in die Moderne und wandelt sie vom reinen Musikgenuss zur Zurschaustellung gesellschaftlicher Defizite. Dabei benutzt er Töne, die den Musikern wohl noch lange in den Ohren klingen dürften, ebenso wie den Freunden der traditionellen Oper.
Westfälische Rundschau (6.3.2002): Während das Orchester seelische Gestimmtheiten vermittelt, fließen bei den Bühnenfiguren Gesang und Sprache miteinander - eine enorme Herausforderung für die Sänger, die sie erstaunlich gut meistern. Der große Vorteil dieser Form ist die absolute Textverständlichkeit.
Neue Ruhr Zeitung Essen (5.3.2002): Verblüffend freilich der Mut, die dramatische Konsequenz, mit der Schneider in seinem bereits vor 20 Jahren komponierten Werk den Stoff gegen Rauschhaftigkeit und Raffinesse verteidigt und eine moderne, psychologisch fundierte Deutung anbietet... Verdienste um eine Produktion, die mit lang anhaltendem Beifall aufgenommen wurde.
Das Opernglas (Nr. 4, April 2002): Vorzüge der Oper sind zweifellos die Sangbarkeit (eine durchgehende Textverständlichkeit ist hier durchaus möglich und beim Gelsenkirchener Ensemble auch gegeben), die kleine, übersichtliche Orchesterbesetzung und schließlich manch überzeugender Kunstgriff
Das Orchester (Nr.6 2002): Keine Eintagsfliege....Durchsichtig und lapidar gesetzt für ein Kammerensemble von elf Instrumenten....Archaisierend mit dem reinen Klang der menschlichen Stimme im Prélude, das als Epilog wiederkehrt, und im reinen Rhythmus der großen Trommel, so bei Salomes Tanz. Die Gesangspartien sind pointiert und dennoch kantabel....Alles ist sehr gut verständlich...Die späte Uraufführung war der eindrucksvolle Triumph einer Oper, die 'modern' bleibt und dennoch einem Publikum, das neue Musik nicht gewohnt ist, keine unüberwindlichen Verständnisschwierigkeiten bereitet.
Tonträger: privater Mitschnitt, 2001
Tonträger Interpreten: eine private DVD-Produktion ist via Komponist erhältlich und zeigt die absolut geniale Umsetzung von Regisseurin Carolyn Sittig, musikalische Leitung: Kai Tietje am Musiktheater im Revier/Gelsenkirchen unter Generalintendant Peter Theiler