Kategorie: Orgel / Sacred Music , Recordings
Schmerz und Leid ist nicht nur das Thema der 9. Orgelsinfonie PATHETIQUE (gespielt von Johannes Skudlik) sondern auch des ungewöhnlichen Requiems IM NAMEN DER ROSE für Countertenor und Orgel. Valer Barna Sabadus - längst ein Bühnenstar geworden - konnte für diese Aufnahme gewonnen werden und singt mit der Schönheit eines Frauensoprans in nie gehörte Höhen. Er singt von der Liebe der Rose, von Maria, aber auch von den Dornen, die auf mittelalterliche Folterungen, Verbrennungen und andere Gräuel verweisen. Jeder Teil kulminiert dann in einem fragmentarischen Requiemstext.
Sätze: ambiente audio ACD 07811
Enjott Schneider Sacred Music Series Volume 7
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recorded in Kirche Mariae Himmelfahrt/Landsberg a.L.: 28./27. november 2011 Organ Symphony IX, 15./16. Januar IM NAMEN DER ROSE
Besetzung: Thema dieser CD sind Schmerz und Leid in ihrer merkwürdigen Ambivalenz. Meist negativ abgewertet wohnt diesen Emotionen nämlich auch das Faszinosum eines „Schönen“ inne: Leiden vermag oft authentischer Ausdruck menschlicher Existenz zu sein, in dessen Tiefen sich die Größe einer Seele erst richtig zu erkennen gibt.
Für das Requiem „IM NAMEN DER ROSE“ wurde anlässlich dieser CD-Einspielung mitValer Barna-Sabadus eine neue Version 2011erstellt. Während die Fassung von 2002 für eine Altstimme komponiert war und eher dramatischen Charakter hatte, wurden nun in der Sopranfassung mit eher lyrischem Charakter die dissonanten Texturen geglättet und der melodische Fluß der Linien verstärkt.
Die Polarität der Rose mit der Schönheit ihrer Blüte und ihren verletzenden Dornen charakterisiert als oft zitiertes Mysterium die Quintessenz des Mittelalters: das Frauenideal der Maria, Liebe, Jungfrau, Schönheit, Wahrheitssuche und Spiritualität findet man auf der einen Seite, Hexenverfolgung, Inquisition, Folter, drastischer Justizvollzug und Brutalität des Krieges auf der anderen Seite.
Der Rose wohnt in Blättern und Blütenkelch eine Fünferstruktur inne., In der astrologischen Botanik ist die Rose als eine eine Venus-abhängige Pflanze bekannt (der Planet Venus vollzieht in seiner jährlichen Bahn eine fünffache scheinbare Rücklaufigkeit und beeinflusst nachweislich – ähnlich wie der Merkur mit seiner Sechser- und der Mars mit seiner Zweierstruktur – eine Reihe von Pflanzen). Deshalb ist der Zyklus IM NAMEN DER ROSE fünffach gegliedert: einer schönen „Rose“ folgt jeweils eine „Dorne“ , deren unfaßliche Grausamkeit dann in die Requiems-Liturgie mündet und von einem Interludium für Orgel abgeschlossen wird.
„Pathetisch“ oder „Pathos“ kommt aus dem Griechischen und bedeutet starke Gemütsbewegung, Gefühl, Leidenschaft oder Leiden. Das Verb dazu bezeichnet „leiden“ oder „erdulden“. In den römischen - auf die Rhetorik begrenzten - Adaptionen bezeichnet „Pathos“ den emotionalen Appell einer Rede, die „bewegen“ (movere) soll und dem „erhabenen Stil“ (genus grande) entspricht. Später, von Friedrich Schillers ästhetischer Figuration des „Pathetisch-Erhabenen“ ausgelöst, kommt im 19. Jahrhundert der Aspekt der menschlichen Freiheit als ein durch die Kunst Erfahrbares hinzu: Pathos ist individueller Widerstand gegen das Leiden und Überwindung des Leidens, ist Schicksal, Kampf und Bestimmung.
Als „die“ ultimative Leidensgeschichte werden in der Orgelsinfonie Nr. 9 jene Stunden vorgestellt, in denen Jesus ganz und gar Mensch geworden war, er den Schmerz und das Leid aller Menschen im Prozess eines inneren Kampfes schicksalhaft ertrug : Gethsemane, Geiselung, Golgatha und Grablegung sind hier die vier Stationen und Satzbezeichnungen.
1: GETHSEMANE - als nächtliche Einheit - zeigt facettenreich zum einen das Ringen um Gewißheit „Wachet und betet, dass ihr nicht in Anfechtung fallet“ (Mt 26/41, Mk 14/38), „und es geschah, dass er mit dem Tode rang und betete heftiger; und sein Schweiß wurde wie Blutstropfen, die auf die Erde fielen“ (Luk 22/44), zum anderen den Verrat des Judas „Gegrüßet seist du, Rabbi! und küsste ihn“ (Mt 26/49) sowie Spott und Folter „Da spien sie aus in sein Gesicht und schlugen ihn mit Fäusten (Mt 26/67, Mk 14/65).
2: GEISSELUNG: ECCE HOMO stellt mit dem „Geisselrhythmus“ der barocken Passionen das physische Leid in seiner realen Form dar: „und zogen ihn aus und legten ihm einen Purpurmantel an, und flochten eine Dornenkrone und setzten sie ihm aufs Haupt... und spien ihn an und nahmen das Rohr und schlugen damit auf sein Haupt“ (Mt 27/28-30, Mk 15/16-19, Joh. 19/1-5), was selbst Pilatus zum ehrfurchtsvollen Mitleid des „Seht, welch ein Mensch!“ veranlasste.
3: GOLGATHA ist – wie ein Scherzo beginnend - eine leidenschaftliche Entwicklung der Musik, die hinführt zum zweiflerisch kämpfenden „Eli, Eli, lama asabthani!“ / „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Mt 27/46, Mk 15/34), das nach einem Beben der Erde und Zerreissen der Felsen sich auflöste in die Stille des „Vater, ich befehle meinen Geist in Deine Hände“ – Und als er das gesagt hatte, verschied er (Luk. 23/46).
4: GRABLEGUNG: MARIA MAGDALENA ist die Weiterführung des subjektiven Leids Jesu aus der Erlebnisperspektive der rätselhaften Figur der Maria Magdalena. Die Evangelisten lassen ihr einhellig eine erstaunliche Bedeutung zukommen. Sie war die Person die am Grab wachte, und die nach dem Sabbat als erster Mensch vom Engel über die Auferstehung unterrichtet wurde.
Die Orgelsinfonie Nr. 9 „Pathétique“, die in ihrem Gehalt von Zerrissensein, Kampf, Hadern mit dem Schicksal, der Geiselung, der grausamen Kreuzigung bis zur Grabesstille bestimmt ist, stellt in ihrer Diktion eine Hommage an ihre große Schwester dar, - an Pjotr Iljitsch Tschaikowskis Sechste Sinfonie „Pathétique“. Darin hatte Tschaikowski in geheimem Programm sein eigenes Leben als Kampf und Leidensweg bis hin zu seiner Selbstauslöschung thematisiert. Von dort sind weitgehend die Satzbezeichnungen (bis hin zur Idee eines emotionalen Adagios als Finale) und die Anmutung mancher musikalische Vokabeln entlehnt, ebenso die schicksalhaften Steigerungen, Abbrüche, Risse oder energiegeladenen – eben pathetischen – Kulminationsstellen.
Es ist mir ein herzliches Anliegen, den beiden Solisten zu danken, die in den Wintermonaten 2011/12 in der Landsberger Stadtpfarrkirche ungeachtet kältester Temperaturen diese Musik so inspiriert einspielten. Nicht minderer Dank gilt Toms Spogis (Ambiente Audio), der mit großer Geduld die Tonaufnahme machte und die beeindruckenden Räumlichkeiten der prachtvoll renovierten Kirche klingend auf eine CD-Scheibe zu bannen wusste.
Tonträger: Ambiente Audio ACD 07811, 2012
Tonträger Interpreten: Valer BARNA-SABADUS (Countertenor)
Johannes SKUDLIK
aufgenommen 2011/2012 in der Stadtpfarrkirche Landsberg am Lech, Tonmeister und Schnitt: Toms Spogis