Kategorie:  Oper / Musiktheater

Eine große Oper basierend auf dem Libretto des Nobelpreisträgers Gerhardt Hauptmann mit der Tragik einer geknechteten Figur, die in Vielem (...Mord an Frau und Kind) an Wozzeck erinnert: Kind des literarischen Realismus um 1900, mit Transparent-Machung psychoanalytischer Strukturen: ein Mann zwischen zwei Frauen, der verstorbenen in der Religiosität sich überhöhenden Minna (die Heilige) und der Lust und Fleisch liebenden Lene (das sinnliche Weib).... Es bleiben nur Wahnwelt, Mord und Irrenhaus. Das vermag zu fesseln, wie die einhellig begeisterten Kritiken unten belegen.

- Während bei Gerhardt Hauptmanns die Erzählung von Naturstimmungen formal bedeutsam ist, so übernimmt in der Opernversion das Orchester die Aufgabe, in Naturbildern den unaufhaltsamen Abstieg zu beschreiben. In der Komposition INNENWELTEN - INNER WORLDS sind diese Tableaux als Orchesterstücke erschienen und auf WERGO-CD eingespielt.... eine symphonische Einstimmung in die packende Oper.

Sätze: Inhaltsverzeichnis:

Tableau symphonique Nr. 1 ("Es war einmal")
1. Bild:
I/1: Am Friedhof. Minna wird beerdigt (Tutti)
I/2: Im Dorf. Thiel und Tobias (Thiel, Tobias, Chor)
I/3: Lene packt sich Thiele (Thiel, Lene, Minna)

Tableau symphonique Nr. 2 ("Zeit vergeht in der Natur")
2. Bild:
II/1: Thiel beim Pfarrer (Pfarrer,Thiel,Chor)
II/2: Was ist der Mensch? (Pfarrer, Thiel, Tobias)
II/3: In der Falle des Fleisches (Thiel, Lene, Tobias)
II/4: Der Alltag und der Dorfklatsch (Tutti)

Tableau symphonique Nr. 3 ("Weg durch märkischen Wald")
3. Bild:
III/1: Thiel im Bahnwärterhaus. Seine Welt. (Thiel)
III/2: Lene misshandelt Tobias (Lene, Tobias)
III/3: Misteriöse Andachten (Thiel, Minna, Lene, Chor)

Tableau symphonique Nr. 4 ("Unwirkliche Natur")
4. Bild:
IV/1: Thiel bekommt Panik. Er will heim. (Thiel)
IV/2: Misshandlung des Tobias (Thiel, Lene, Tobias)
IV/3: Lene über "Fleisch" (Lene, Thiel, Chor
---- Pause ---
Tableau symphonique Nr. 5 ("Intermezzo oscuro")
5. Bild:
V/1: Thiels Trauma: Zwischen Minna & Lene (Tutti)
V/2: Lene will zum Acker (Thiel, Lene, Tobias, Pfarrer)

Tableau symphonique Nr. 6 ("Friede der Natur")
6. Bild:
VI/1: Familienidylle auf dem Acker (Thiel, Lene, Tobias)
VI/2: Das Unglück: Tobias vom Zug erfasst (Tutti)

Tableau symphonique Nr. 7 ("Schienen ins Nichts"/Film von Kirsten Winter)
7. Bild:
VII/1: Thiels Wahn und Verzweiflung (Thiel, Minna)
VII/2: Tobias ist tot. Übergabe des Leichnams (Tutti)
VII/3: Thiel ohnmächtig im Krankenbett (Thiel, Lene)

Tableau symphonique Nr. 8 ("Mondnacht")
8. Bild:
VIII/1: Lene und ihr Kind ermordet! (Pfarrer, Chor)VIII/2: Thiel auf den Schienen - irr geworden (Thiel, Chor)VIII/3: Thiel in der Irrenanstalt (Thiel, 2 Wärter, Chor)

Dauer: 145 Minuten

Notenausgabe: Schott Musik International , 51 289 , 2003

Besetzung: Thiele: hoher Bariton
Lene: dramatischer Sopran
Minna: lyrischer Sopran
Tobias: Kind (Sprech- und Volksliedstimme)
Pfarrer: Bass

Dorfleute, Gendarmerie, Anstaltswärter:
Frau 1: Alt
Frau 2: Mezzosopran
Mann 1: Tenor
Mann 2: Bariton

Chor (mindestens 20 Personen)
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Orchester:
2 Fl. (2. auch Picc.) / 2 Ob. / 2 Klar. / 2 Fg. /
4 Hr. / 3 Trp. / 3 Pos. / Harfe / 2 Schlagzeuger /
großes Streichorchester
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Dazu ad libitum: Projektionen von bewegtem und stehendem Bild (Zuspiel DVD mit Originalsequenzen der Experimentalfilmerin Kirsten Winter über Schott International erhältlich); sowie ad libitum Zuspielung von Sounddesign (Atmospähren, Geräuschen u.a.)

Vorwort: Szenische Anmerkungen

Die Oper benötigt eigentlich nur drei angedeutete Spielstätten auf der Bühne:
- vor/in Kirche (vor der Kirche wäre der Friedhof)
- vor/in Bahnwärterhäuschen (vor dem Häuschen wären Schienen, Schranke, Acker)
- vor/in Thiels Wohnung (vor der Wohnung wäre "das Dorf")

Wichtig ist eine großflächige Projektionsmöglichkeit auf der Bühne, um die Naturvisionen während der "tableaux symphoniques" und auch den Bereich des Bahnwärterhäuschens mit endlosen Schienen, endlosem Wald und der Spinne von Telegraphendrähten visualisieren zu können.

Zur Einfühlung für Darsteller, Regie, Ausstattung, Kostüme werden die Personencharakterisierungen in der urtextlichen Schilderung der novellistischen Studie von Gerhart Hauptmann gegeben:

Thiel: herkulische Gestalt,sprach in schleppendem Zeitmaß, der leise und kühle Ton seiner Rede, unverwüstliches Phlegma, kindgut und nachgiebiges Wesen, mit seinem verrosteten Bass, erdfarbenes Gesicht,

Lene: dickes und starkes Frauenzimmer, harte herrschsüchtige Gemütsart, Zanksucht, brutale Leidenschaftlichkeit, ein Tier, das Mensch, Macht roher Triebe, mit keuchender, schweißtropfender Brust stillend,

Minna: schmächtiges, kränklich aussehendes Frauenzimmer, das junge, zarte Weib, ihr hohlwangiges, feines Gesicht, recht kränklich ausgesehen

Tobias: entwickelte sich nur langsam, Kopf mit ungewöhnlichem Umfang,brandrote Haare, kreidiges Gesicht, machte mit der übrigen kläglichen Gestalt einen erbarmungswürdigen Eindruck, verängstigt in einer Ecke,blaue, tiefliegende Augen, Mundwinkel mit kläglichem Lächeln, liebes, hilfloses Geschöpf, rotwangig
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Zur Sprachgestaltung des "Bahnwärter Thiel"

Aus Hochachtung der sprachlichen Intensität der novellistischen Studie von Gerhart Hauptmann war es bei der Einrichtung des Librettos vorrangig, sich weitmöglichst an Hauptmanns Wortwahl zu halten und mit der Einfügung von eigenen Vokabeln äußerst sparsam zu sein.
Deshalb war es verbindlich, jegliche wörtliche Rede von Gerhart Hauptmann unbedingt zu übernehmen (durch Anführungszeichen kenntlich gemacht). Oftmals wurden auch seine beschreibenden (nichtwörtlicher) Passagen herangezogen, um möglichst authentische Gesangstexte entstehen zu lassen. In seltenen Fällen wurde auch Hauptmanns Lyrik (aus "Ährenlese", "Kleine Reime" oder das Gedicht "stiller, heil'ger Tag" am Ende der Oper) für Äußerungen des Thiel, des Chors oder des Pfarrers herangezogen. Auch bei den Szenenanweisungen war es die Regel, möglichst den originalen Wortlaut der Beschreibungen Hauptmanns zu übernehmen, um auf diese Weise das durch knappe Bilder geprägte Fluidum dieser novellistischen Studie einzufangen.
Die Bemühungen um eine Authentizät des Librettos und eine Reduktion eigener subjektiv gefärbter Textdichtungen wurden ausserdem durch die Verwendung "dokumentarischen" Textmaterials verstärkt (immer durch Anführungszeichen kenntlich gemacht): Bibelstellen, protestantische Kirchenlieder (aus dem schlesischen Raum) und Volkslieder sind stets mit genauen Quellenangaben ausgewiesen.

Anmerkungen: Libretto von Julia Cloot und Enjott Schneider
Kompositionsauftrag des Musiktheaters Oberlausitz/Niederschlesien

Uraufführung:  07.02.2004, Theater Görlitz

Uraufführung Interpreten: Regie: Aron Stiehl Bühne & Kostüme: Karen Hilde Fries
Theaterchor, Extrachor und Prager Rundfunkchor,
Orchester der Neuen Lausitzer Philharmonie
Leitung: GMD Eckehard Stier
Choreinstudierung: Myron Michailidis

Thiel: Hans-Peter Struppe
Lene: Yvonne Reich
Minna: Anja Meyer
Pfarrer: Stefan Bley
u.a.

Uraufführung Presseberichte: URAUFFÜHRUNG GÖRLITZ IN DEN MEDIEN:

"Ein Mensch verliert sich" (FAZ vom 3.3.2004): "Die Oper bewahrt dabei den narrativen Gestus der Vorlage, der Libretto-Text wird nicht zerrissen, zerstückelt, auf Wort-Klang-Bedeutungen reduziert, in Klang-Gesten übersetzt. Schneiders Komponieren bleibt geradlinig an der Geschichte. Als erfahrener Filmkomponist weiß Schneider, wie man szenisch-bildhafte Ereignisse musikalisch "begleitet", wie man Atmosphäre schafft, instrumentale Charakteristika effektvoll einsetzt. Das Schlagwerk-Potential wird routiniert ausgeschöpft. Erregungssequenzen geschickt gesteigert. Mit sicherer Komponistenhand sind etliche symphonische Zwischenspiele gesetzt, in denen vor allem Naturhaftes beschworen wird. Der Mord an Lene und ihrem Kind wird nur "von der Musik beobachtet", ein überzeugender musikdramaturgischer Einfall. Die Görlitzer Uraufführung legt die Vermutung nahe, dass Enjott Schneiders Oper Chancen für weitere Inszenierungen besitzt. Beim Publikum finden geradlinige Handlungsopern unverändert Zustimmung. "Langer, herzlicher, zustimmender Beifall" (Gerhard Rohde).

"Wärter im Mordmorast" (Die Welt vom 2.3.04, auch: "Oper & Tanz", März-April 2004): "Als geschickter Griff erweist sich, den Chor als Kommentator einzusetzen: Die Sänger verfolgen Thiel, mäkeln und murren ob seines Verhaltens. So bekommt die Oper eine interessante zweite Ebene: Das (Vor-)Urteil der Menschen über andere. Enjott Schneider hat die düster-enge Atmosphäre der Novelle gut getroffen. Seine Musik ist oft melodiös, sinfonisch-schmeichelnd, setzt mit schroffem Schlagwerk und spitzen Bläsern Angst-Akzente" (Ute Grundmann)

"Bahnwärter Thiel" als Oper. Viel Beifall für ein neues Werk von Enjott Schneider (Wiesbadener Kurier vom 2.3.2004): "Mit großem Beifall hat das Publikum im Theater Görlitz die Uraufführung der Oper "Bahnwärter Thiel" belohnt". (dpa-Meldung)

"Umjubelter Wahnsins-Fall. Spektakuläre Uraufführung in Görlitz: Enjott Schneider neue Oper nach Hauptmanns Novelle "Bahnwärter Thiel" (Sächsische Zeitung/Dresden 1.3.2004) "vor allem schuf er eine Musik, die wie beim Film die Szenerie mit mehr oder minder modernen, verständlichen und plastischen Klangbildern untermalte. "Die Aufführung wurde zu einem spektakulären Ereignis" Lang anhaltender Beifall, länger als bei manchen Opernhits" (Friedbert Streller).

"Der Film im Kopf" (Online-Journal "Das Opernnetz", 6.3.2004): "ist von Enjott Schneider in eine Musik umgesetzt worden, die existentielle Emotionen wie einen "Film im Kopf" entstehen und explodieren lassen... gefühlsbetonte Musik mit voluminösen Streicherklängen, effektiver Schlagzeugverstärkung und kalkuliertem Bläsereinsatz" Der kommentierend-anklagende Chor vollbringt eine exzeptionelle Leistung"Für das mutige Theater Görlitz ist die Uraufführung eine gewaltige - gelungene -Kraftaustragung. Zur Premiere sind viele Neugierige und Experten von weither angereist, die Wertschätzung des Gebotenen liegt sehr hoch, der viertelstündige Schlussbeifall ist enthuasiatisch" (frs).

"Traumatische Obsessionen" ("Opernwelt" April 2004): Das alles besaß vokale Qualität! Danach langer, herzlicher Beifall. Die Erzähloper ist nicht tot! (Gerhard Rohde)

"Ein Lied über das Leben am Gleis. Schneiders "Bahnwärter Thiel" in Görlitz" (Mitteldeutsche Zeitung 3.3.2004): "hier ging es ums Geschichten erzählen. Und ebendies ist in der Premiere zweifellos gelungen" wirklich ein guter Ausweis für einen Bewerber zur Kulturstadt 2010" (Christian Schmidt).

"Euphorie nach Seelendrama" (Sächsische Zeitung/ Görlitz 1.3.2004): - "Die Besucher im ausverkauften Haus feierten eine bemerkenswerte Uraufführung" Erstaunlich geschlossen - wie die Inszenierung- stellte sich nach der Premiere das Stimmungsbild dar: großes Lob überwog bei weitem. Gäste waren beeindruckt und ergriffen. Das Zusammenwirken von konzentrierter schauspielerischer Leistung, experimentellen Filmsequenzen, von bisweilen geradezu expressionistisch anmutenden Bühnen-Bildern und einer atmosphärisch dichten Musik: Dies wurde als außergewöhnlich intensiv empfunden! (Frank Seibel).

"Bahnwärter Thiel" (MDR Figaro, 29.2.2004, 12:45): "Die gestrige Uraufführung in Görlitz erregte ein Aufsehen, wie es die Stadt in dieser geballten Form wohl selten erlebt hat" Schneider hat ein sehr gutes Gefühl, dem Libretto noch eine zweite Handlung unterzuschieben. Es gibt eine rasante Entwicklung zum Ende hin, wenn Thiel wahnsinnig wird und die Auflösung desselbe, dieses Wahnsinnsmomentes ist eigentlich sein größter Geniestreich in der Oper. "den Vogel, wenn man das so salopp sagen darf, schießt der Chor ab, der wie in der griechischen Tragödie seine Kommentare abgibt. In dieser Produktion hat das Theater Görlitz einen Leistungsstand offeriert, der in allen Punkten begeistert. Jubel und großer Beifall am Schluss für alle Beteiligten, zuerst natürlich für den anwesenden Komponisten Enjott Schneider" (Gottfried Blumenstein).

"Gefesselt im Semper-Bau": Görlitzer Theater bringt spektakuläre Oper heraus" (Sächsische Zeitung/Dresden 27.2.2004): "Ebenso verblüfft, dass die gefundene Version auch noch spannend klingt. Das ist bei modernen Werken selten. Viele Komponisten scheinen mit verrätselter Musikfetzen ihren Kollegen etwas beweisen zu wollen. "Thiel"-Komponist Schneider ist so einer nicht" Im vergangenen Jahrzehnt dürfte es in Sachsen keine Opern-Uraufführung gegeben haben, die musikalisch so anspricht wie der "Thiel". Schneider schreibt eine heutige Sprache, findet trotzdem eingängige Motive. Eine große Textverständlichkeit zeichnet das Werk aus. Akzente setzt die psychologisierende Zuspitzung, die alsbald eine Spannung erzeugt, die packt" (Bernd Klempnow).

"Deutliche Zeichen für deutliche Musik" (Süddeutsche Zeitung 1.3.2004): "Einer, dessen Kreativität die Erwartungen von Auftraggebern und Publikum integriert und der offenbar auch den richtigen Riecher für gute Opernstoffe hat" hat sich Schneider nun Hauptmanns "Bahnwärter Thiel" vorgeknöpft - und prompt fragt man sich, weshalb vorher niemand auf diese Idee gekommen ist? (Jörg Königsdorf)

"Bahnwärter Thiel" (Opera gazet 9.3.2004): "Diet nieuw werk moet zeker andere theaters kunnen bereiken, want in vergelijking met de meeste wereldcreaties is noch de inhoud noch de muziek ondermaats" (W.V.) (Übersetzung: "Die neue Oper sollte mit Sicherheit von anderen Theatern nachgespielt werden, denn verglichen mit anderen Opernuraufführungen ist weder der Inhalt noch die Musik dieses Werkes in irgendeiner Weise beliebiges Mittelmaß")

"Kann nicht anders. Handwerk muß sein: Die Enjott Schneider-Oper "Bahnwärter Thiel" in Görlitz" (Junge Welt 3.3.2004): "große Bilder, fürwahr" (Christian Schmidt)

Tonträger: 

Tonträger Interpreten: Eine Videodokumentation (Kurzfassung und Langfassung) mit drei Kameras (Z-Art Filmproduktion München) ist als privater Mitschnitt entstanden und kann beim Autor zur Einsicht bestellt werden. Eine Kurzfassung/Pressetrailer ist auch auf youtube zu finden.