Kategorie:  Orgel / Sacred Music

Dauer: 16 Minuten

Notenausgabe: Schott Music , ED 9990 , 2008

Besetzung: Symphonische Orgel (mit mindestens 3 Manualen)


Eine Hommage an Wolfgang Amadeus Mozart: aus Grundton, Bewegungsmustern und Motiven des Requiem KV 626 entsteht ein emotionales Geflecht, durch das eine schlichte Melodie (Oboe) den Weg führt. Ein furioser Mittelteil, von der Rhythmik des "Dies irae" inspiriert, führt in großer Steigerung zu existentiell erschütternder Klangballung und zu plötzlicher Stille und dem Nichts: über einem langen Pedalton erzittert die Musik ein letztes Mal und zitiert Mozarts "Lacrimosa" - genau so lange und fragmentarisch, wie es aus seiner Handschrift als letztes der von ihm überlieferten Stücke erhalten ist. Danach ist er gestorben: man vermag etwas vom ABGRUND DER ZEIT zu verspüren. Komponiert im Mozartjahr 2006.

Soloinstrumente: Orgel

Vorwort: Zur Interpretation:

Die drei Teile müssen in Tempo und Registrierung klar erkennbar sein.
Teil A (Vibrationen um den Dominant-Ton A mit leisen Zitaten) Takte 1 - 99
soll "calmo" erscheinen und stets geheimnisvoll leise bleiben. Stets wechselnde
Klangfarben und Dynamikschattierungen, - viel Arbeit für den Registranten.
Teil B Takte 100 - 241 (furioser Mittelteil im Tempo des "Dies irae") soll kompakt,
erdrückend und wie eine nicht zu bremsende Maschinerie im Tempo ca. 150-160
gespielt werden. Dieser Teil mündet in eine Klangballung in dreifachem Forte, die
dann (kunstvoll abregistriert) ins Pianissimo ausebbt.
Teil C Takte 242 - 315 (Ausklang über dem Grundton D) soll extrem leise sein und
darf so rätselhaft und fremdartig (ungewohnte Registerkombinationen, auch halbgezogene Register bei mechanischen Trakturen) wie nur möglich klingen. Dieser Teil mündet in
das "Lacrimosa" Mozarts, das nach einer Steigerung zum Forte sich ins dunkle und fremde
Nichts verhaucht.

Zur Ausführung wird eine größere Orgel mit mindestens drei Manualen benötigt, die
mit G. (Grande Orgue), P. (Positif) und R. (Recit) bezeichnet sind. Besonderheiten sind
zu Beginn und Ende die gekennzeichnetenTriangelschläge, die vom Registranten auszuführen sind (ad libtitum) und die arretierten Töne a und d: mittels Bleistift-Einklemmen werden die Tasten zum Spielen eines Dauertones gezwungen (diese Dauertöne können durch Schwellpedal oder unmerkliches Umregistrieren auch lebendig gefärbt werden). Die Manualangaben sind
unverbindliche Vorschläge. Auf Orgeln mit mehr Manualen sind weitaus reichere Farbgestaltungen möglich. Hierfür kann man sich an der Partitur der gleichnamigen Orchester-
fassung dieses Werkes orientieren.

Anmerkungen im Einzelnen:
Die Solomelodie (erstmals in Takt 14) soll konsequent von derselben Zungenstimme (Oboe, Englischhorn oder Klarinette) gespielt werden und damit wieder erkennbar sein.
Die Rallentando-Gesten auf einem Ton (erstmals Takt 2) sollen sehr frei und ausgiebig verlöschend gespielt werden, dürfen auch über die Taktgrenzen hinweggehen.
Die kleinen schattierenden Tempowechsel in den Teilen A und C immer organisch
und fließend vornehmend, keine harten Zäsuren machen.
Der Mittelteil B hingegen fast starr in festem Tempo unerbittlich jagend einüben.
Die Schwellerakkorde Streicherklang im Endteil C (Takte 264, 269, 272, 281, 286) sollten möglichst streicherartig registriert sein und auf einem schwellbaren Manual gespielt werden.
Die beiden komplexen Schlusscluster im Pianissimo möglichst fremdartig registrieren und
verlöschen lassen (auch mit halbgezogenen klagenden Registern und Abschalten des Orgelmotors, ohne dass dies als Effekt erkennbar wird). Diese Schlusstakte sind das Aushauchen der Seele unseres Wolfgang Amadeus Mozart und sollen uns "Am Abgrund der
Zeit" frösteln lassen.

Widmung: Johannes Skudlik in Freundschaft

Anmerkungen: Notenkritik in 'Musik & Gottesdienst', September 2007 S.201
Ein origineller Beitrag zum Mozartjahr 2006 ist Schneiders 'At the edge of time'. Er lotet Grenzen aus, die Grenzen der Zeit, des Lebens und der Musik. Mozarts unvollendet zurückgelassenes Requiem mit seiner mysteriösen Geschichte dient Schneider als Inspirationsquelle, woraus er Bewegungsmuster und Motive schöpft. Der Grundton ist geheimnisvoll leise und ruhig, mit Halbtonbirationen und wechselnden klanglichen und dynamischen Schattierungen. Eine Oboenstimme hebt sich immer wieder daraus empor. Im Mittelteil bricht im dies irae-Tempo wie eine nicht zu bremsende maschine das furiose Allegro assai hervor, steigert sich zu erschütternden Klangballungen, die dann zum ruhigen Schlussteul ausebben. Mit dem Lacrimosa Mozarts endet das Ganze, mit möglichst vfremdartig registrierten Pianissimo-Clustern verlöscht das Leben (mit halbezogenen Registern und Abstellen des Motors).

Uraufführung:  03.12.2007, Kathedrale von Sevilla

Uraufführung Interpreten: Johannes Skudlik

Uraufführung Presseberichte: Besprechung der Schott-Edition ED 9990 Zeitschrift ORGAN (Heft 4/2007):
Ausschnitte: 'Das knapp zwanzigminütige Stück bietet keine moderne Musik im eigentlichen, etwa experimentellen Sinn und verlangt vom Interpreten bis auf wenige unkomplizierte Ausführungsvorschriften keine spektakulären Drahtseilaktionen. So ist das Stück auch von Spielern zu bewältigen, die im Umgang mit zeitgenössischer Musik unerfahren sind, und kann relativ schnell einstudiert und aufgeführt werden.... Das neue Orgelstück Schneiders hat sicherlich originelle Qualitäten und dürfte, gut vgespielt und dramatisch interpretiert, seine Wirkun g beim Publikum kaum verfehlen. Ausserhalb reiner Soloprogramme für die Orgel eignet sich dieses Werk seiner thematischen Bezüge und Zitate wegen bestens als sinnreiche instrumentale 'Introduktion' zur Aufführung des für sich alleine genommen nicht ganz 'abendfüllenden' Mozart-Requiems.' (Christian von Blohn).

Mittelbayrische Zeitung vom 14.11.2006
Zunächst jedoch eröffnete Kunibert Schäfer mit aussergewöhnlichen Orgelwerken den Konzertnachmittag: 'At the Edge of time - Reflections on Mozarts Requiem KV 626' war ein umfangreiches Stück für symphonische Orgel betitelt... verband in diesem vielschichtigen Werk Zitate aus Mozarts letzter Komposition mit schlichten, meditativen Melodien, aber auch mit flirrend-schwebenden Tonpassagen, rasanten Akkordbrechungen und durchterregenden, bedrückenden Klängen, die eine Ahn ung vom 'Abgrund der Zeit' aufkommen ließen, (Hildegard Franz).